Das Brauchtum
Der Freimaurerbund besitzt ein überliefertes Brauchtum, dessen Ursprung die mittelalterlichen Bauhütten sind. Die rituellen Arbeiten dienen
- der Einfügung neuer Mitglieder in die Gemeinschaft,
- der Vertiefung menschlicher Bindungen innerhalb der Bruderschaft,
- der Besinnung auf die moralischen Normen des Freimaurerbundes.
- der Sammlung und Erbauung des einzelnen Bruders
Die freimaurerischen Hauptsymbole sind das Buch des Heiligen Gesetzes, das Winkelmaß und der Zirkel. Sie erinnern an die ethischen Verpflichtungen des Menschen, seine Verbundenheit mit seinen Mitmenschen und seinen Bezug zur Transzendenz. Die Freimaurerei verzichtet auf jede inhaltliche Festlegung religiöser Symbole Sie überlässt dies der persönlichen Überzeugung des einzelnen Bruders.
Obwohl die Zusammenkünfte der Freimaurer keineswegs immer in Formen des Brauchtums ablaufen, spielen die einem vorgegebenen Ritual folgenden Tempelarbeiten eine zentrale Rolle. Dabei ist es müßig, darüber zu streiten, ob die rituelle Arbeit Zweck oder Mittel des Bundes ist, ob die Gemeinschaft das Ritualerlebnis erst ermöglicht, oder ob umgekehrt das Brauchtum primär der Definition der Gemeinschaft dient. Unbestritten ist, dass sich alle freimaurerischen Aktivitäten um die Zusammenkünfte in der Bauhütte, auch “Tempelarbeiten” genannt, als Kern entfalten. Es ist zu vermuten, dass die Lebenskraft des Freimaurerbundes nicht zuletzt auf seinem im Wesentlichen seit Jahrhunderten unveränderten Schatz an Formen und Symbolen beruht.
Der Freimaurerbund geht von der elementaren Erfahrung aus, dass seelische Vorgänge für ihre dauernde Wirksamkeit eines sinnlichen Ausdrucks bedürfen. Hierzu bedient sich die Freimaurerei einer Vielzahl von Symbolen und symbolischen Handlungen, die zwar – oft naheliegende – Ausdeutungen erfahren, jedoch nicht verbindlich ausgelegt werden. Das “Buch des Heiligen Gesetzes” (z.B. die Bibel) muss weder als Ausdruck göttlicher Offenbarung noch als Aufzeichnung menschlicher Geschichte angesehen werden, sondern kann auch als Symbol für die Gesamtheit sittlicher Normen und Werte aufgefasst werden.
Mit ihrem rituellen Gebäude schafft die Freimaurerei Räume der Ruhe und Kontemplation, die gerade der Mensch unserer Zeit oft entbehren muss. Dabei ist hervorzuheben, dass die freimaurerische Tempelarbeit die emotionale und die rationale Seite des Menschen in gleicher Weise ansprechen kann. Handlungen, Worte und nicht zuletzt Musik bilden eine ausgewogene Einheit.
Innenansicht einer Wiener Loge um 1790 / „Wiener Logenbild“
Weltanschauung, Religion
Freimaurerei ist weder Religion noch Kirche. Sie will vielmehr Menschen der verschiedensten Weltanschauungen und religiösen Überzeugungen im Bewusstsein verbindender Werte auf der Grundlage einer gemeinsamen Symbolsprache zusammenschließen. Die Zugehörigkeit zu einer Konfessionsgemeinschaft hindert die Mitgliedschaft im Freimaurerbund nicht.
Das freimaurerische Ritual vermittelt Erfahrungen, die über das Alltagsleben hinausgehen. Dennoch ist seine Wirkung rein psychisch und nicht übersinnlich oder gar magisch zu erklären. Die Freimaurerei beruht auf einer religiösen Grundlage, insofern sie der Stellung des Menschen in der Welt und seiner Beziehung zur Transzendenz in ihrem Brauchtum sinnlichen Ausdruck gibt. Dennoch ist die Freimaurerei keine Religionsgemeinschaft. Sie kennt keine Dogmen und lässt jeder individuellen Überzeugung Raum. Der konfessionell gebundene Freimaurer erfährt in der Loge keine Verachtung seines Glaubens, und die enge Begegnung mit Andersdenkenden braucht ihn nicht zu verunsichern. Um dies sicherzustellen, sind Diskussionen über konfessionelle Fragen im Freimaurerbund nicht gestattet.
Freimaurerei und Kirchen handeln beide von immateriellen Werten. Gleichwohl befindet sich der Freimaurerbund nicht in einer Konkurrenzsituation zu den Kirchen. Die von der Großloge A.F.u.A.M. von Deutschland vertretene Freimaurerei enthält sich jeder Jenseitsorientierung und bezieht sich nur auf das diesseitige menschliche Handeln.
Das Geheimnis
Die Freimaurerei ist kein Geheimbund. Geschichte, Wesen, Ziele, Satzung und Namen der Vorstände von Großloge und Logen sind öffentlich zugänglich. Selbst die Rituale sind oft publiziert worden. Trotzdem halten die Freimaurer an der Verschwiegenheit über die Einzelheiten ihres Brauchtums fest. Dieses Schweigen schützt das Erlebnis und stiftet Vertrauen.
Die Stellung der Freimaurerei in der Gesellschaft von heute erfordert einerseits von Loge und Großloge eine die eigene freimaurerische Identität vermittelnde Öffentlichkeitsarbeit. Eine solche positive Öffentlichkeitsarbeit hat hauptsächlich drei Aufgaben:
- Abbau von Vorurteilen und Verbesserung des Informationsstandes der gesellschaftlichen Umwelt;
- Herstellen einer fruchtbaren, Logen und Großloge geistig und sozial belebenden Kommunikation mit Außenstehenden;
- Anknüpfen von Beziehungen zu Männern, die für die Logen als zukünftige Mitglieder in Frage kommen.
Andererseits wird jedoch auch heute noch abgelehnt, das freimaurerische Brauchtum und interne Vorgange des Bundes zu verbreiten. Durch ihre Preisgabe würde sich die Freimaurerei nicht nur eines wesentlichen Elements ihrer Wirksamkeit nach innen und außen berauben. Sie würde vor sich selbst unglaubwürdig und gefährdete das auf Schweigen und Vertrauen beruhende innere Band.